“rhielt diele bar”, christian korte

“rhielt diele bar”
einführung von christian korte (rechtgestalten)
gezogen hat er uns schon in den vergangenen jahren immer tiefer in seinen bann, der unternehmer, der bildhauer und künstler des abends: stets gut geleitet haben wir uns gemeinsam gemacht auf den weg von “red shoes – grüngras” über “lines to go“, immer weiter hinein in die welten des franz betz, hin zu adaptierter höhlenmalerei in den “images rupestres” bis hin zu jenem fast schon verstörenden “arthropodium” in den garten der sinne 2007, an vielen orten immer wieder konfrontiert mit dem offenbar gänzlich unerschöpflich schöpferischen “alphabetz”. Und nun also dies:

riehlt diele bar.
gewiss kryptisch angekündigt, aber doch unzweifelhaft ein augenschmaus. zentral die schwarze pyramide, ein fast schon „lebensabschnittsdings“ unseres franz betz, ebenso geheimnisvoll wie klar in der form, unendlich kontrastierend zu dem gülden untergrund. nach der so genannten sonnenstrahltheorie war und ist an nahezu allen orten der erde noch immer bei bestimmter wetterlage ein sonderbares spektakel am himmel zu beobachten: wenn am tage, besonders bei überwiegend wolkenbedecktem himmel, sich ein wolkenloch aus der sichtposition eines betrachters in der nähe oder am direkten optischen sonnenstandort öffnet, so formen die nunmehr durchkommenden sonnenstrahlen mindestens ein deutliches dreieck, oft sogar eine räumlich erscheinende pyramide. letztere in ägypten geltend nicht zuletzt als himmelstreppe zum göttlichen, geschaffen, um es einem verstorbenen pharao zu ermöglichen, zu seinem wahren vater, dem sonnengott re, zu gelangen . ein symbol jedenfalls der ferne, des mys- tischen, des sich auf den weg machens, des wanderers, des reisenden, ja vielleicht des die winde nutzenden, alles andere jedenfalls als statisch verharrenden, das orange segel als geometrischer wie inhaltlicher kontrast, einführend und heraushebend das dreieck in das werk betz, als zentrales moment, die strenge form des monuments endgültig aufhebend durch blaues lasso, geschwungen, leuchtend. ergänzt um das filz der moderne, in anlehnung an beuys, das vlies, gerollte decken, leicht trag und transportierbar. all dies raumgreifend und raum bildend. es geht hier nicht um eine technikshow, auch nicht derer vergangener zeit, geplottet und formwertig gehängt wurden texte mit so wundersamen titeln wie “de ihr habe fahrberg”, “eben ruck rar” oder “pfend launenhaft”. dabei war er gut zu uns, an sich sollten die texte in seiner schrift geplottet werden, doch wir alle haben unsere hausaufgaben noch nicht erledigt, und der künstler war so einsichtig wie großherzig, uns klartext in lateinischen buchstaben zu bieten. versuchen wir franz betz auf die wirkliche spur zu kommen, ist ohnehin das digitale skulpturenalphabet doch eher ein zeitgenössisch adaptiertes vehikel, erfahrungen adäquat zu kommunizieren, denn dessen inhalt.
franz betz als grenzgänger wieder einmal, er macht auch hier selbst fasziniert von den möglichkeiten technischer errungenschaften diese stilsicher für seine künstlerische ausdrucksweise zu nutze. franz betz setzt ein internetgestützte generatoren bei der textentwicklung, lässt diese für sich arbeiten und nimmt sich heraus, die ergebnisse zu sichten und auszuwählen. max bense, der “theoretiker künstlicher kunst” hat bereits ende der sechziger jahre in seiner schrift ‚einführung in die informations-theoretische ästhetik einen wunderbaren begriff hier eingeführt, den der künstlichen poesie, der vielleicht gar synthetischen wie technologischen poesie, etwas, was man schon vergessen glaubte. automatische texte als erguss programmierter sprachgestaltung, nicht völlig regelfrei, sondern grammatischen Interessen im grundsatz genügend, mindestanforderungen an semantischer verständlichkeit erfüllend sowie mindestens eine minimal ästhetische struktur aufweisend. und damit ist der schwabe franz betz nun endgültig in hannover angekommen. befinden wir uns doch hier in einer hochburg abstrakter dichtung und poesie:
gebrauchs-sprache von allen konventionen befreit und bis zur unkenntlichkeit verfremdet; werden nach phonetischer logik kompositionen geschaffen, deren semantische reste spielerisch assoziationen freisetzen. in bild-, laut-, elementar- und simultangedichten wird sprachliches material auf einzelne worte, silben, buchstaben, laute und ihre rhythmik reduziert. kurt schwitters, der künstler hannovers vergangener zeiten, entkleidet sie ihrer semantischen bezüge, um ihre qualitäten als tonale und grafische zeichen wahrnehmbar werden zu lassen.
laut- und bildgedichte sind also trotz – oder gerade wegen – ihrer konsequenten reduktion besonders offene dichtungen und schwitters nutzte sie auch, um die grenzen zwischen sprache und musik, sprache und bild, sprache und bewegung zu verwischen.
und waren für schwitters stimme, tempo und lautstärke das „material“, mit dem er prosa in sprechstücke verwandelte oder – umgekehrt – aus dem nach vielfältigen improvisationen niedergeschriebene lautgedichte entstanden, so entzieht sich betz zumindest für den moment dieser fokussierten eigenschaustellung und übergibt seine ausgewählten texte wiederum in automatenhand, allesamt nicht nur per realisator, sprich drucker les- und sichtbar gemacht, nein, auch hörbar gemacht, vertont, sprach- und sprecheigenheiten diverser nationalitäten nicht egalisiert, statt dessen herausstreichend, vernehmbar für jedermann, der der jetztzeit rechnung trägt, übertragen per funkkeule vor ort über einen 24 h radiosender fm 87,9 mhz. auf mobile endgeräte, gelebte partizipation, demokratisch und weltoffen..
heu fernzüge, im dandy allee ja dir uraufgeführt, biege all verse kid kam veranschaulichst baum, dem. in diesem sinne, franz betz sei gedankt für diese neue wandertour durch technik und kunst und der verbindung derselben…
ihnen allen einen diskursiven abend,
herzlichen dank.
einführung von christian korte (rechtgestalten)



ausstellung im kunstraum j3fm hannover vom 17.10. – 16.11.2008
ausstellungseröffnung am 17.10.2008, 18 uhr