"Der Lichtkünstler Franz Betz" von Peter Rautmann

Der Lichtkünstler Franz Betz
von Peter Rautmann
Franz Betz zeichnet, malt, bildhauert mit Licht. Natürlich war Licht schon immer als Motiv in der zweitausendjährigen Geschichte der europäischen Kunst von Bedeutung, aber eine neue Qualität entsteht, als künstliches Licht, vor allem das elektrische Licht, seinen Siegeszug in der Beleuchtung des privaten wie öffentlichen Raums antritt. Bereits die Weltausstellung von 1900 in Paris gab sich als Lichterfest mit prächtigen Illuminationen, Paris wird zur Stadt des Lichts. In den europäischen Großstädten wie Paris, London oder Berlin, aber auch in New York begann mit den Lichtreklamen die Nacht zum Tage zu werden, auch in bedrohlicher Weise. Die im 1. Weltkrieg zum Schutz vor Fliegerangriffen entwickelten starken Flakscheinwerfer suchten des nachts den Himmel über den Großstädten ab, ehe sie der NS-Architekt Albert Speer für seine nächtlichen Lichtdome beispielsweise im Olympiastadion 1936 in Berlin entdeckte. Heute sind die Häuserfassaden gänzlich hinter den animierten Leuchtwänden der großen Straßen und Plätze, wie auf dem Piccadilly Square in London oder auf dem Times Square in New York verschwunden.
Auch die Kunst entdeckt die Möglichkeiten des künstlichen Lichts. Derjenige, der mit als Erster das Licht als Material für die Kunst wahrnahm, war der aus Ungarn stammende Bauhaus-Meister László Maholy-Nagy. Als Lichtmedium war ihm natürlich der Film wichtig, über das er ein Bauhaus-Buch herausgab; er experimentierte aber auch mit den Möglichkeiten des Photogramms, Alltägliches in geheimnisvolle Hell-Dunkel-Dingwelten zu verwandeln. Mit seinem „Lichtrequisit“ von 1930, einer mobilen Konstruktion aus Metallscheibenformen, undurchlässig oder perforiert, und rechteckigen Drahtgerüsten, aufgestellt in leeren Räumen, gelang ihm ein sich stetig veränderndes Lichtspiel, in dem das Licht – und die Schatten – die entscheidende Rolle spielt: Das Licht wird zum Akteur. Und wenn die nächtlichen Plätze der Großstädte von den Lichtreklamen verwandelt werden, kann eine sich einmischende Kunst nicht auf Darstellungsmöglichkeiten an solchen öffentlichen Orten verzichten, wie es die amerikanische Künstlerin Jenny Holzer zeigt, wenn sie den Werbetexten und -bildern verfremdende der Kunst entgegensetzt, die uns zum Nachdenken anregen sollen, wie beispielsweise ihre Aphorismen („truisms“), die sie 1982 auf eine LED Leuchttafel des Times Square projizierte.
Franz Betz nennt sich selbst Lichtbildhauer. Traditionell stellen wir uns unter einem Bildhauer jemanden vor, der mit Hammer und Meißel, vielleicht auch mit einer Schleifmaschine oder Kettensäge hantiert, je nachdem, ob Stein oder Holz sein Material ist. Arbeitet man mit Licht, hat die anscheinend paradoxe Bezeichnung „Lichtbildhauer“ dennoch einen prägnanten Sinn, geht es ihm doch in seinen Arbeiten mit Licht nicht um flache, zweidimensionale künstlerische Produkte, sondern um dreidimensionale, auf Körpervolumen oder Raumambiente abzielende Arbeiten.
An der Grenze zwischen zwei- und dreidimensionalen Werken sind seine Lichtkästen angesiedelt, deren Vorderseite in leuchtenden, abstrakt-geometrischen Farbfeldern mit  hoher Lichtintensität erstrahlen – wie es früher die farbigen Fenster der Kathedralen taten,  nun aber ohne religiöse Botschaft, in klaren Formen und großer Heiterkeit. Vorreiter einer solchen ästhetischen Verwendung von Lichtkästen ist der kanadische Künstler Jeff Wall, der von Lichtkästen mit Werbebotschaften im öffentlichen Räumen unserer Großstädte ausging, seinerseits diese aber für alternative Themen, beispielsweise über die indigene Bevölkerung Amerikas, nutzte. In Betz‘ Lichtkästen erstrahlen mehrperspektivische Räume von großer Tiefe, abstrakte, von Menschen gesetzte, freie Ordnungen.
Auch einem mit der Minimal Art in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts bekannt gewordenem Lichtkünstler wie dem Amerikaner Dan Flavin ging es um Lichträume. Flavin arbeitete noch mit starren Leuchtstoffröhren, die er rechtwinklig zusammenstellte, vor allem in die Raumwinkel leerer Räume, diese mit Licht akzentuierend, so dass ihr Licht sich in den Kanten sammelte und ein wunderbares Raumlicht abstrahlte. Solche gebündelte Röhren mit weißem Licht verwendet Betz in leeren, White-Cube-Räumen, aber auch solchen, die nicht leergeräumt sind, sondern noch ihren funktionalen Charakter, z.B. Abstellräume, bewahren.
Mit der neuesten LED-Technik haben sich Leuchtröhren entwickelt, die quasi beweglich geworden sind zu Lichtschläuchen, die frei beweglich sich im Raum führen, tragen lassen. Das starre Kastensystem einer vorgestanzten Form ist der Beweglichkeit einer Handschrift gewichen. So ist es nicht verwunderlich, vielmehr konsequent, wenn Franz Betz analog zu der Grundlage europäischer Schrift, dem Alphabet, ein solches Vokabular des Lichts gestaltet: das Alphabetz. Seine 26 Leuchtbuchstaben sind die Bausteine einer Sprache, die ihr Geheimnis (noch) bewahrt haben, wie einstens die Hieroglyphen Ägyptens, ehe es dem Franzosen Jean-François Champollion gelang, sie zu entziffern. Und wir Augenmenschen des 21. Jahrhunderts werden durch stete Übung auch bald in der Lage sein, das Betz‘sche Alphabet zu entziffern. Gelegenheit hierzu hatten die Hannoveraner bereits: Ein Buchstabe erleuchtete für Monate das städtische Wahrzeichen Hannovers – die  große, öffentliche Uhr am Kröpcke in der Vorweihnachtszeit 2012. Ihr gläsernes Gehäuse zeigte kein Pendel, sondern ein leuchtendes Schriftzeichen, welches den Mittelpunkt der Stadt markierte.
Die Beweglichkeit der Lichtschläuche kann auch in reale Bewegung überführt werden, so wenn die kürzlich verstorbene Performance-Künstlerin Ursula Wagner bei einem mit Franz Betz konzipierten Lichttanz-Projekt in der Marktkirche Hannover eine Performance aufführte, die der Bedeutung des sakralen, ansonsten dunklen Raums mit abstrakten Gesten und Bewegungen nachspürte. Die Gesten aus Licht verdichteten sich von Zeit zu Zeit zu lesbaren Zeichen in der christlichen Tradition – wie etwa dem Kreuz -, um sich zugleich wieder in offene Bewegungen aufzulösen. Begleitet und akzentuiert wurde die Performance darüber hinaus von einem Trio mit neuer Musik. Bereits 2010 hatten beide ihre Lichtperformance zu der in Frankfurt am Main stattfindenden Luminale vorgeführt, eine erneute Einladung 2012 konnte nicht mehr realisiert werden.
Wofür stehen die Lichtzeichen, die Franz Betz gestaltet? Wenn er abstrakt-expressive Lichtzeichen in Drahtkäfigen einschließt, wie beispielsweise in den „die vermessung der lichtlinie“ betitelten Arbeiten, entsteht ein Dialog zwischen Begrenzung, Grenzziehung und deren Überschreitung; Dialoge, die den Betrachter einbeziehen; sie können um die Vorstellung von Freiheit kreisen, eine Vorstellung, die sich an der Sichtbarkeit von Grenzen reibt. Es zeigt sich hier und in den anderen angesprochenen künstlerischen Arbeiten, dass es dem Lichtbildhauer um eine künstlerische Sprache des Lichts geht, er ihre Dimensionen ausloten, unbekannte Räume aufspüren möchte. Franz Betz hat sich auf den Weg gemacht, entdeckt neue Passagen und Räume und lässt uns an seinen Entdeckungen teilhaben.
Peter Rautmann
Hannover, den 11. 10. 2013

“rhielt diele bar”, christian korte

“rhielt diele bar”
einführung von christian korte (rechtgestalten)
gezogen hat er uns schon in den vergangenen jahren immer tiefer in seinen bann, der unternehmer, der bildhauer und künstler des abends: stets gut geleitet haben wir uns gemeinsam gemacht auf den weg von “red shoes – grüngras” über “lines to go“, immer weiter hinein in die welten des franz betz, hin zu adaptierter höhlenmalerei in den “images rupestres” bis hin zu jenem fast schon verstörenden “arthropodium” in den garten der sinne 2007, an vielen orten immer wieder konfrontiert mit dem offenbar gänzlich unerschöpflich schöpferischen “alphabetz”. Und nun also dies:
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vakuum. ein- und ausatmen. von peter rautmann

“vakuum. ein- und ausatmen.”
essay von peter rautmann
Ein – und Ausatmen, Luft einatmen und wieder ausstoßen, Konzentration nach innen und nach außen, Fülle und Leere, Körper und Geist: unser Leben besteht aus dieser Bipolarität; wenn wir Nachdenken, wenn wir zur Ruhe kommen, denken wir auch über diese beiden Pole nach und wie sie als Einheit zu begreifen sind, um unser Leben eine Mitte zu geben.
Die Luft brauchen wir zum Leben, aber wir brauchen sie immer wieder neu und als neue – Einatmen, Ausatmen. Der Genesis zur Folge blies Gottvater Adam, dem Erdenklos, seinen Odem ein und siehe, diese Masse geformten Lehms begann zu leben: Materie und Geist gehören zusammen.
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"wo" eine wegbeschreibung von christine behler

„wo“
christine behler
Der Interviewer im Radio fragte sie, was hörst Du am liebsten, wenn Du im Alltag Radio hörst?
„Meine Kinder lachen mich aus, aber ich höre am liebsten die Verkehrsnachrichten. Ich höre die Staumeldungen, wo abends das Konzert von Phil Collins stattfindet, Städte-oder Straßennamen. Dann stillt das ein bisschen mein Heimweh.“
Die junge Amerikanerin hatte drei Jahre in Deutschland gelebt und nun, zurück in den Staaten, hat sie sich darum gekümmert, Radiosendungen aus Deutschland via Internet zu empfangen zu können. Mit den Verkehrsnachrichten ging sie in Gedanken manche Straße noch einmal ab, wusste wieder, wo ihre Lieblingskneipe steht und wo der Fahrradweg zum Sportpark entlang führt.
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rolf kolbien über die vermessung der lichtline

expedition im schnee. lichtline leuchtet. vermessung wir fortgesetzt.
expedition eingeschneit. lichtline leuchtet. vermessung wird fortgesetzt.

Und nun zu dem “ H I G H L I G H T ” dieser Herbstausstellung, der Lichtinstallation “Die Vermessung der Lichtlinie” von
FRANZ BETZ.
Der Titel wurde von ihm bewusst gewählt in Anlehnung an den Buchtitel “Die Vermessung der Welt” von Daniel Kehlmann. – In den dreidimensionalen Gitterboxen fixiert er mit Spanngurten die Lichtlinien, indem er sie in einem neuen Raum nachvollziehbar festlegt. So schafft er ein Ordnungssystem, in dem flexible LED-Lichtschläuche , sog. “Light-Tubes”, den Mittelpunkt seiner Installationen bilden. (mehr …)

"paradies 0.9", rainer grimm

“paradies 0.9”
laudatio von dr. rainer grimm
meine sehr verehrten damen und herren,
ich habe das vergnügen, hier heute mit ihnen eine sehr spannende ausstellung zu eröffnen. der titel der ausstellung mag beim ersten – leisen – lesen vielleicht etwas merkwürdig aussehen – liest man ihn aber einmal laut, dann erschließt sich das sofort, ‘paradies 0.9’, das ist das paradies im jahr 2009, also heute. wie sieht dieses paradies hier aus? (mehr …)

"vakuum", annette roggatz

“vakuum – von Ausdehnung bis Leere”
Dr. Annette Roggatz
Mein sehr verehrten Damen und Herren,
Vakuum, vom lat. Adjektiv vacuus, leer, ist Nichts.
Insofern:
Herzlich willkommen im Nichts!
Es ist ein außerordentlich mutiger Schritt von Ihnen gewesen, hier einzutreten, denn das Vakuum der Philosophen ist absolut: ohne Ausdehnung und ohne Leere (die um nicht gefüllt zu sein auch raumhaltig sein müsste).
Aber, welch Glück, es gibt ja auch die physikalische Dimension des Vakuums mit den Möglichkeiten von Ausdehnung und Leere.
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“rhielt diele bar”, christian korte

“rhielt diele bar”
einführung von christian korte (rechtgestalten)
gezogen hat er uns schon in den vergangenen jahren immer tiefer in seinen bann, der unternehmer, der bildhauer und künstler des abends: stets gut geleitet haben wir uns gemeinsam gemacht auf den weg von “red shoes – grüngras” über “lines to go“, immer weiter hinein in die welten des franz betz, hin zu adaptierter höhlenmalerei in den “images rupestres” bis hin zu jenem fast schon verstörenden “arthropodium” in den garten der sinne 2007, an vielen orten immer wieder konfrontiert mit dem offenbar gänzlich unerschöpflich schöpferischen “alphabetz”. Und nun also dies:
riehlt diele bar. (mehr …)

“impuls·e” , holle vollbrecht

“impuls·e”

eröffnungstext von holle vollbrecht

steht drüber an der wand und stand auch in der zeitung:
franz betz ist jg 1963, geboren in sigmaringen,
hat sein design-büro im quirligen stadtteil linden,
ein miniaturlabyrinth,
dessen “kabinette“
von seinen künstlerischen arbeiten belebt werden. (mehr …)

artist statement 07

artist statement
2007
spontane, impulsive beschleunigung, wie ein axthieb oder ein pinselschlag. immer wieder das neue suchen, voran, weiter, weiter. und dennoch im moment verweilen, die bewegung im augenblick erforschen.
henry moore ganz zu beginn, giacometti, und dann flavin, naumann, judd, die anstrengung zu konzentrieren, minimalisieren. ein konzept zu finden, oder wie tinguely sich am antrieb zu berauschen. typographie, texte in licht zu setzen, botschaften, muster erkennen, netzwerke bilden und verdichten.
aus der architektur das planerische, dem design das objekthafte, in der kunst das handwerk und das geistige. mixed media, holz und licht, typographie und aluminium, industriefertigung und original.
und im jetzt die fragen nach konstante und variable.
“arthropodium”, modulare skulpturen im diskurs und “weiss beschleunigt”, wind, licht und eine holzbank. bewegte ruhe für den augenblick.
berlin/hannover 2007, franz betz
herzlichen dank an claudia zölsch für
die worte “bewegung” und “augenblick”.
 

"variart", christian korte

“variart”
einführung von rechtsanwalt christian korte m.a., hannover
sie haben es an sich gut mit uns gemeint, die beiden künstler torsten paul und franz betz. wir erinnern uns: lateinisch “varius, varia, varium“ verschiedenartig, mannigfaltig, bunt sowie “ars, artis“, die kunst, die fertigkeit… kurzum, es werden offenbar präsentiert verschiedene facetten künstlerischen schaffens’. wunderbar.
meine damen und herren, jetzt befinden wir hier nicht an einem beliebigen ort, sondern in einer rechtsanwaltskanzlei, ich sehe mich daher zunächst einmal bewogen, sie mitzunehmen auf einen geistigen abweg – nämlich hin zum themenfeld des rechts und der kunst und der bewertung der letzteren durch erstgenanntes…. mithin zu der frage: ist das hier alles wirklich kunst? (“freilich“ rufen wir innerlich!!!) und dann: hat diese unsere einschätzung bestand vor dem recht?
kunst – so tönen künstler wie kulturschaffende allenthalben – ist frei, folgt allein ihren eigenen gesetzen und entzieht sich aus der natur der sache allen versuchen, sie durch eine objektive definition einzugrenzen.
juristen und kunst
zweifelsohne – dies ist durchaus fein erdacht, aber für juristen schlichtweg ein nicht denkbarer, ja gerade zu grotesker ansatz. juristen denken in klaren begriffen, sie wollen, nein, sie müssen ja – dies ist, ich formuliere vielleicht mal etwas forscher, geradezu ihre originäre bestimmung – sie müssen täglich soziale wirklichkeit durch rechtsbegriffe ordnen, um her dann regelnd eingreifen zu können, ja vor allem – um insbesondere die subjektiven rechte der einzelnen schützen zu können. es handelt sich bei der begriffsbestimmung in vorgenannten sinne mithin um so etwas wie eine rechtsstaatliche mission’, die es durch die juristen zu erfüllen gilt.
doch kaum begonnen zu denken, gleich wieder ernüchterung: soll kunst nun ebenso begrifflich wie wahrhaftig gefasst werden, wird man schnell feststellen, dass sich dies alles andere als einfach gestaltet. der zu findende kunstbegriff darf nämlich nicht traditionell fixiert erscheinen und muss geradezu offen sein für neue kunstformen, letzteres darf aber nicht zu einer kontur abholden definition führen, da eine arbeit mit inhaltsleeren begrifflichkeiten nicht möglich ist, mit solchen keine gesetze formuliert werden können und vor allem kein schriftsatz oder gar urteil begründet werden kann. und dann noch das historische erbe der ebenso unsäglichen wie vorgeblichen ns-kunst-klassifizierung. das scheint alles doch sehr unübersichtlich und im detail überaus schwierig.
verehrte zuhörer, – der jurist hat – sie ahnen es – freilich auch für diese missliche, sprachverwickelte situation einen passablen lösungsansatz parat:
rechtsgelehrt erklärt er nämlich “kunst“ schlicht zum so genannten relativen rechtsbegriff, der –so der kern dieses instrumentes – je nach regelungszusammenhang einen unterschiedlichen inhalt haben kann. und das ist nun aber wirklich toll. unterschiedlicher inhalt je nach situation.
was ist kunst?
was also ist heute kunst im rechtssinne? rührte das reichsgericht noch in einer gemengelage aus “ein werk der kunst ist etwas mit darstellungsmitteln der kunst hervorgebrachtes“ und dem wenig fassbaren “ästhetischen gehalt“ eines werkes, hat nunmehr vor einigen jahren der bundesgerichtshof in seiner weisheit entwickelt den begriff der so genannten “künstlerischen gestaltungshöhe“. ohne zweifel, auch dies ein schöner begriff! aber irgendwie nicht minder unbestimmt, schließt sich auch hieran unweigerlich die frage, ab welcher stufe denn dann nun ein gegenstand künstlerisch gestaltet ist oder als solches gilt?
und jetzt wird es wirklich spannend. achtung, wer hätte das gedacht: bei der beantwortung vorgenannter frage, stellt der bgh allein ab auf die “für kunst empfänglichen und mit kunstanschauungen einigermaßen vertrauten kreise“, und damit auf die gesellschaftliche geltung von kunst.
meine damen und herren, das ist doch jetzt wohl wirklich eine überraschung: wir alle, also wir für kunst empfänglichen und sicher mit kunstanschauungen einigermaßen – was immer das nun wieder heißen mag – vertraute menschen bestimmen damit nicht nur für heute abend darüber, ob das hier gezeigte wahrhaft kunst ist. d.h. die frage, wenn wir ganz ehrlich sind, die frage zu stellen, erübrigt sich zu diesem zeitpunkt schon fast, denn ich denke, keiner von ihnen hat sich hierher auf den weg gemacht, um etwas minderes als kunst zu erleben. also lassen wir das recht und genießen wir die kunst:
und hier wird uns nun wirklich einiges geboten: torsten paul und franz betz: ein schrift- und plakatmaler auf der einen, ein architekt und designer auf der anderen seite – schaut man zu den beruflichen startpositionen. zwei bildende künstler mit hochschulvergangenheit, ein bildhauer und maler, ein skulpturist und konzeptionist. und im zentrum ihres wirkens: der mensch. der mensch, wie er ist und der mensch, was er schafft.
franz betz.
der grenzgänger zwischen technizität, material und form.
der künstler dan flavin hat es gezeigt, seit er 1963 – dem geburtsjahr betz’s – die erste lichtarbeit, bestehend aus einer einzigen industriell gefertigten leuchtstoffröhre, präsentierte, die minimalistische wirkung auch noch so farbiger und in reihe gesetzter leuchtstoffröhren. franz betz, setzt dort jahre später an und sich zugleich hinweg über die industrielle normform der einfachen röhre, nutzt die individuelle biegbarkeit des materials zur bewussten verknüpfung mit dem produkt seines typographischen gestaltens, nämlich mit der von ihm entwickelten schrift, den “lines“, hier kurz zum skulpturen-alphabet, ohne verleugnung freilich der industriellen herkunft jeden werkstücks, offen sichtbar konsequent befestigung und technische details. und so sorgte er für furore nicht zuletzt auf der luminale frankfurt 2006, anlässlich derer er das holiday inn hotel frankfurt city south “night –light – night“ illuminierte. franz betz also, der künstler, der uns alle beim eintritt fast schon magisch zu “vips“ werden ließ. und nicht wahr, gleich fühlten wir uns noch geschmeichelter als schon durch die einladung zu dieser eröffnung allein…
leben und werk
es begann aber auch schon viel versprechend, damals durch die geburt in sigmaringen an der donau. noch deutlich vor dem architekturdiplom, welches er im jahre 1991 erlangte, steht die gründung von franzbetzdesign, vor nunmehr 20 jahren, ehrerbietung und beste wünsche auch von dieser stelle für das heuer zu begehende jubeljahr.
als architekt hat er das gestalten von der pike auf gelernt, ein gespür für materialien, proportionen und wirkungen entwickelt, für witterung und konservierung, den blick geschärft für licht- und farbeffekte, für altes und neues. das “häusle-” bauen als solches war das seine auf dauer nicht. der umgang mit elektronischen datenverarbeitungssystemen hingegen schon eher, und dies bereits zu einer zeit des noch lange nicht allgegenwärtigen rechnens unserer tage.
so entwickelte er 1987 “das mensch“, eine cad-gliederpuppe zur proportionslehre, 1989 dann “lichtkunst kunstlicht“, eine computeranimation zum symbolwert von eben diesem kunstlicht, in den jahren hernach folgten diverse multimediaprojekte, 3d-visualisierungen, für webanwendungen wie printprodukte. fixierung auf ein material – das kann ihm nicht nun wahrlich nicht nachgesagt werden, ihm, dem experimentellen, doch kommt dem holz stets eine besondere stellung zu: seine diplomarbeit widmete er einem holzprodukt, der wellpappe, und wiederum bleibt er nicht auf halber strecke stehen, nein, um dieses material und seine arbeit herum entwickelt er flugs seine weitere firma “well – ausstellungssysteme“, freilich auch noch heute erfolgreich am markt.
holz, licht, metall, typographie, farbe und wieder holz – franz betz, der kombinierer.
red shoes und grüngras.  die fagus werke in alfeld. das von walter gropius und adolf meyer ab 1911 errichtete werk in alfeld an der leine gilt als ursprungsbau der moderne. den architekten gelang es, einem mittelständischen betrieb ein völlig ungewohntes, vom traditionellen abweichendes erscheinungsbild zu geben.
aus einer sponsorstellung für einen von franz betz für die messe ag entwickelten kunstleitfaden “lines to go“ zur ligna 2005, kommt es zu einem besuch von betz bei der fagus-grecon greten gmbh & co. kg in alfeld, er schaut sich auf dem gelände um, sein blick bleibt hängen an hölzernen schuhrohlingen, er erfasst fast schlafwandlerisch anmutend die technischen möglichkeiten vorhandener schuhleistenfräsen und die innewohnenden chancen des kopierens einer kleinen holzplastik, eines ausgangmodells durch eben diese fräsen, wem bitte von uns – ohne jemandem nahe treten zu wollen – wäre dies ebenso geglückt? das ergebnis: red shoes, figuren, gestalten von ursprünglicher kraft. dem rohling entwachsen, aber auch keine fertige schuhleiste, eher in greifbarer gedanklicher nähe der weibliche torso? indifferent. unterstützt in seiner wirkung durch die rote farbe, eigenwillig, wundersam passend an diesen objekten. grüngras hingegen als hommage an “entscheidende momente im rasensport“. franz betz, der freizeitkicker, als spurensucher: “kann die erinnerung an entscheidende momente eines spieles auf einen punkt kumuliert werden? nicht der in die allgemeine erinnerung überführte, der gesellschaftskonformen, sondern der ganz individuell erlebten, der singuläre erinnerung wird hier raum gegeben, manifestiert in den keilzinken linear, geordneten strukturen, allein gebrochen durch das zu erinnernde ereignis, mittels grober hiebe eindrucksvoll spuren hinterlassend. gefasst in filz, dem groben, strapazierfähigen material, dass sich ebenso für zelte wie für kleidung eignet, daher gerne nomadischen kulturen zugeordnet wird, vage wohl mit aufgreifend zugleich damit die immanente örtliche ungebundenheit wie den durch beuys verliehenen legendenstatus des filz in der kunst.
büsten und köpfe
im büro des hausherrn wohl positioniert die “büsten“. wer hat nicht gleich bei diesem wort ebenso klassisch-museale wie ausdruckslos-kalte werkstücke vor dem inneren auge, franz betz setzt seine “köpfe“ diesen machwerken bewusst entgegen und baut hier vor allem auf das besondere holz der robine, ein neophyt in unseren breiten. nach europa wurde dieser baum zwischen 1623 und 1635 durch jean robin von virginia nach paris eingeführt, wo unweit der notre-dame zwei von robin gepflanzte exemplare als älteste bäume der stadt angesehen werden. das gegen holzfäule widerstandsfähige holz ist gleichzeitig biegsam und fest und wird im schiffs- und möbelbau, als grubenholz, als schwellenholz, sowie im bogenbau verwendet. es gilt als widerstandsfähiger und dauerhafter als eichenholz. franz betz skizziert grob die gewünschten profile und gibt dann das material dem lauf des lebens zurück, im freien aufgestellt, regen und sonnenlicht ungeschützt ausgesetzt, verliert das holz zunächst an farbkraft und ansehnlichkeit, um dann nach einem prozess der reifung, der adoleszenz, des erwachsenwerdens wieder zu anmut und würde zu gelangen, dem eigenen, endlichen lebenszyklus nicht unähnlich – ein prozess, den es auszuhalten gilt als kunstkäufer wie betrachter – wenn man denn dem ganzen nicht einfach durch konservierung umgeht, was zumindest für die kunst möglich scheint.
franz betz geht es nicht um dekoration. in seinen arbeiten, so unterschiedlich sie auf den ersten blick auch wirken mögen, steckt stets ein gesellschaftsbezogener anspruch, manifestiert in struktur, in form und gestalt, in material und bearbeitung, in oberflächen und texturen.
images rupestres
“was ist der kern, was treibt uns an?“ leitfragen, die uns führen, hin etwa zu den “images ruprestes“, den modernen höhlenzeichnungen, die es zu entdecken und dechiffrieren es gilt. franz betz, der moderne höhlenmaler: aluminiumverbundplatten, die (eigen entwickelten) schriftzeichen maschinell nach den vorgaben einer digitalen schablone eingeritzt, und weiter dann bearbeitet von hand. setzend auf materialien der vorfahren auf kohle und blut, experimentierend, dann schnell schwarz wegen mangelnder “lichtspielqualität“ ausschließend, setzt betz nunmehr allein auf rote acrylfarbe. vollendet wird jedes werk letztlich durch grobes schleifen, “um der fläche ein gesicht zu geben“.
die schriftzeichen selbst beruhen auch hier wieder auf den “lines“, jenen skizzenhaften buchstabencode, den franz betz bereits 1999 mit spontanem schwung – wie er es selbst beschreibt – entworfen hatte, um die formen des alphabetz von „a“ bis „z“ neu zu erfinden. zuletzt hatte der künstler die „lines“ – wie schon erwähnt in seinen lichtskulpturen aufgegriffen, sie aber in den ersten werkserien c, k ,r bereits ende der 90er jahre des letzten jahrhunderts durchgespielt, in holzstelen, aber auch in metall, in aluminium und bronze.
die vorfahren als leitbilder: “feuer zuenden“, “mammut erlegen“, “beeren sammeln“, was treibt ihn an, den modernen menschen? was ist das existenzielle unserer tage? das ultimative schnäppchen? die villa am meer? der wochenendausflug zu den azoren? eine anstellung auf lebenszeit? jammern allenthalben auf höchstem niveau. kunst als anregendes. als aufregendes. als erdendes im vorliegenden sinne ganz sicher auch.
[…]
für ihre aufmerksamkeit besten dank.
einführung von rechtsanwalt christian korte m.a., hannover



ausstellung von torsten paul und franz betz. 13. april bis 8. juni 2007. kanzlei brust. hannover. ausstellungseröffnung: 13. april 2007, 18 uhr.

"red shoes – grüngras", albert schmid-kirsch

“red shoes – grüngras”
einführung von prof. dr.-ing. albert schmid-kirsch, architekt(bda)

wenn etwas zusammenpassen kann, dann das holz-lager der fagus-werke und die holz-arbeiten von franz betz. es hat sich also gut gefunden, dass wir heute hier red shoes und grüngras zu sehen bekommen.
architektur und skulptur sind im gegensatz zum flächigen bild/gemälde dreidimensional. sie sind mit einem blick in der regel nicht zu erfassen. über material, proportionen und ihre unterschiedliche wirkung bei wechselndem licht sind sie verwandt. diese gegenseitige beeinflussung wird im moment in der sehenswerten ausstellung archiskulptur: (dialoge zwischen architektur und plastik vom 18. jahrhundert bis heute) im kunstmuseum wolfsburg thematisiert.
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